Schluck für Schluck zu Klimaschutz

Wasser aus der Leitung schont das Klima, so eine neue Studie. Warum die Wasserwende bequem und nachhaltig ist, erklärt ein Verein.

Der Griff zum Wasserhahn spart anderthalb Mal so viele Treibhausgase wie der innerdeutsche Flugverkehr. Klingt unglaublich? Wenn die Menschen hierzulande vollständig von Mineral- zu Leitungswasser wechseln, würden jährlich drei Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid überflüssig, belegt eine Studie der Zertifizierungsgesellschaft GUTcert. Mineralwasser durchläuft mehr Produktionsschritte und erzeugt daher mehr Emissionen; die Hälfte davon durch Herstellung und Abfall der Flaschen, aber auch beim Transport zu Supermärkten und Haushalten. Deshalb ist sein CO2-Fußabdruck größer: Während bei einem Liter Leitungswasser nur 0,35 Gramm entstehen, erzeugt jeder Liter Mineralwasser 203 Gramm CO2-Äquivalente, in die auch andere Emissionen umgerechnet wurden – fast 600 Mal so viel.

9 Milliarden

Einwegflaschen können durch einen Wechsel zu von Flaschen- zu Leitungswasser gespart werden.

Der Verein e:TipTap aus Berlin hatte die Studie in Auftrag gegeben. „Selten bietet die umweltfreundlichste Variante persönlichen Komfort ohne Verzicht”, sagt Projektleiter Julian Fischer, ehemaliger Leuphana-Student. Er engagiert sich für das Projekt Wasserwende, das den Weg in ein nachhaltiges Leben weisen möchte: regional, verpackungsfrei, emissionsarm und gesund. So können Verbraucher:innen rund neun Milliarden Einwegflaschen sparen, wie das Bundesumweltministerium überschlägt. Deshalb wünscht Fischer, dass möglichst viele Menschen umsteigen: von der Flasche zum Leitungswasser.

„Selbst wenn die umweltfreundlichste Wahl offensichtlich ist – sie zu belegen war aufwändig“, sagt Dipl. Ing. Frank Blume, Leiter der Studie. Allerdings sind die Bilanzen nicht vollständig, denn die Forschenden mussten Systemgrenzen wählen. Beginnt die Analyse bei der Schraube des Baggers, der Rohre legt? Beinhaltet sie den Energieverbrauch des Supermarktes? Und werden Wickelfolien und Etiketten berücksichtigt? Vor- und nachgelagerte Komponenten wie diese konnten nicht integriert werden. Auch beruhen einzelne Werte auf Schätzungen. Wo Daten fehlen, werden detaillierte Annahmen getroffen, zum Beispiel, dass ein Lastwagen 40 Tonnen wiegt und immer zur geographischen Mitte Deutschlands liefert. „Die Methodik muss transparent kommuniziert und ihre Unsicherheit bewertet werden“, bedenkt Blume. Daher variieren die Rechnungen zwischen Studien. Doch ihr Ergebnis ist gleich: Aus Klima-Perspektive ist Leitungswasser den Alternativen überlegen.

600 Mal

soviel Treibhausgase verursacht jeder Liter Mineralwasser im Vergleich zum Leitungswasser.

Leitungswasser ist das beste geschützte Lebensmittel unserer Märkte

Auch um die Wasserqualität muss sich niemand sorgen. Deutschlands Standards sind außergewöhnlich gut. Regelmäßige Kontrollen durch Gesundheitsämter sowie eine Trinkwasserverordnung sichern die Güteklasse des “besten geschützten Lebensmittels unserer Märkte”, so das Umweltbundesamt 2019. Thomas Meyer, Geschäftsführer des Lüneburger Wasserversorgers Purena, möchte diesen „Schatz“ wahren. Dazu bietet das Unternehmen Spender und Startpakete für Kitas und Schulen, wo Kinder „von klein auf lernen, dass Leitungswasser wertvoll ist.“ Sie enthalten auch Trinkflaschen. Damit die unterwegs befüllt werden können, baute Purena im Juni drei Brunnen in der Stadt und plant fürs kommende Jahr drei weitere.

Außerdem können Durstige kostenfrei in sogenannten Refill-Stationen ihren Flaschen füllen. Über 5500 Orte zeigt eine Karte auf Refill-Deutschland.de: In Lüneburg sind das immerhin sieben Geschäfte und der Wasserturm.

Bei Deutschland „läuft“: das Geschäft mit Flaschenwasser

Dennoch kaufen Deutsche immer mehr Mineral- und Heilwasser. Innerhalb der letzten 50 Jahre wuchs der Konsum um den Faktor zwölf und liegt laut dem Statistischen Bundesamt aktuell 187 Litern pro Person. Und das trotz des Preises: Ein Liter Wasser kostet im Supermarkt weitaus mehr als die 0,141 Cent, welche Verbraucher:innen an Wasserhähnen im Stadtgebiet zahlen.

Der Mineralwassermarkt erzielte im Jahr 2020 einen Umsatz von fast 13 Millionen Euro; bis zum Jahr 2025 wird ein jährliches Wachstum von etwa acht Prozent prognostiziert. Ein Konsumwandel sei eben sehr komplex, sagt auch der Umweltwissenschaftler Julian Fischer: „Entscheidungen fallen nicht nur rational, sondern auch sozial und emotional.“ Vorbilder spielten eine große Rolle. Man müsse, fügt Fischer hinzu, aber auch die Ängste der Menschen anerkennen, beispielsweise vor mangelnder Qualität – selbst wenn diese unbegründet ist.

Dieser Report wurde in der Startwochenzeitung der Lüneburger Landeszeitung am 14. Oktober 2021 leicht verändert erstveröffentlicht.

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